Faszination Vollblutaraber und Araberrennen

Sie werden «Könige des Windes» und «Söhne der Wüste» genannt: Die Vollblutaraber. Aus dem Orient gibt es wundervolle Sprichwörter, Gedichte und Geschichten in deren Mittelpunkt Araberpferde stehen und die schönsten Pferdebildbände in den Büchergestellen von Pferdeliebhabern, zeigen meistens Vollblutaraber in Vollendung. Ich selber bin ihrem Charme, ihrer Eleganz und ihrer Schönheit verfallen, seit ich vor vielen Jahren als Pferdepflegerin bei der Familie Knie, Araber betreut habe.

Auch für die Zucht des Englischen Vollbluts stehen Wüstensöhne, denn die drei Stammväter der heutigen Rennpferdelinien waren Darley Arabian (ein Vollblutaraber), Godolphin Barb (ein Berber) und Byerley Turk (vermutlich ein Turkmene).

Nil Ashal mit Franziska und Urs Aeschbacher (links und rechts vom Pferd) bei der Siegerehrung von einem seiner bisher acht Siege. – Foto: Scarlett Schär, horseracing.ch

Nil Ashal mit Franziska und Urs Aeschbacher (links und rechts vom Pferd) bei der Siegerehrung von einem seiner bisher acht Siege. – Foto: Scarlett Schär, horseracing.ch

Im Galoppsport weltweit haben Araberrennen heute einen achtbaren Stellenwert und werden – vor allem im und aus dem arabischen Raum – auch mit viel Geld unterstützt. Im Schweizer Rennsport sind Araberrennen eher eine Randsportart mit einer kleinen Anhängerschaft. Franziska Aeschbacher ist aktuell die einzige Schweizer Trainerin, die Araberrennpferde – aktuell sechs – trainiert. Franziska und Urs Aeschbacher arbeiten in ihrem Ausbildungs- und Trainingsstall im IENA in Avenches aber nicht nur mit Rennpferden. Sie bilden auch arabische Pferde, Vollblüter und vereinzelt Warmblüter in englischer Reitweise aus und bereiten Showpferde vor.

Nachgefragt bei Franziska und Urs Aeschbacher

Liebe Franziska, lieber Urs, herzlichen Dank, dass ihr euch die Zeit nehmt, den Lesern von Galoppszene die Faszination der Vollblutaraber und der Araberrennen näher zu bringen.

Bitte erzählt doch in einigen Sätzen, wie ihr vom Araber-Virus erfasst wurdet und wie euer Weg bis zum heutigen Ausbildungs- und Trainingscenter in Avenches verlaufen ist. Bei dir, Urs, ist die Faszination für Araber – soweit ich weiss – familiär bedingt, oder?

Urs: Meine Eltern Rita und Toni Aeschbacher haben vor 41 Jahren die ersten reinägyptischen Vollblutaraber, zwei Stutfohlen, in die Schweiz importiert. Damit legten sie den Grundstein unserer Zucht. Ich wuchs zu Hause mit den Vollblutarabern auf, habe sie zugeritten und wurde von meinen Eltern auch schon früh in die Zuchtentscheide miteinbezogen. Mit dem so angeeigneten Wissen wurde ich von der ECAHO (European Conference of Arab Horse Organizations) zum internationalen Richter für arabische Pferden an Schauen anerkannt.

Wer einmal ein arabisches Vollblut im Stall hatte, wird für immer von dieser Rassen fasziniert sein. Es ist für mich die Intelligenz und Menschbezogenheit gepaart mit einer ausserordentlichen Leistungsbereitschaft, die mich immer wieder aufs Neue begeistern.

Und wie bist du, Franziska, auf die Araber gekommen?

Franziska: Durch meinen Mann Urs.

Arbeitet ihr in Avenches nur mit Araberpferden aus eurem familieneigenen Gestüt «Nile Arabians» oder stehen eure Dienstleistungen auch Besitzern offen, die «fremd» einkaufen?

Franziska und Urs: Die meisten Pferde, die wir ausbilden oder trainieren, sind nicht aus unserer Zucht. Es sind neben arabischen Pferden auch Englische Vollblüter oder vereinzelt Warmblutpferde.

Auf dem Gestüt in Brenles nehmen wir auch immer wieder fremde Fohlen zur Aufzucht oder ältere Pferde in die Alterspension. Aber natürlich ist es für unsere züchterische Selektion und Entwicklung sowie für die Vermarktung wichtig, dass wir auch immer wieder eigene gezüchtete Pferde auf Schauen präsentieren oder auf die Rennbahn bringen.

Keine rassespezifischen Unterschiede beim Training

Franziska, du hast zurzeit mit River, Diane de Kaldoun und Miss Spirit auch «normale» Rennpferde im Training. Wo unterscheiden sich die beiden Rassen bei der täglichen Arbeit am meisten? Eher bei den Charakter-Eigenschaften oder müssen Araber und Englische Vollblüter wegen ihrer unterschiedlichen körperlichen Vorgaben auch ganz unterschiedlich ausgebildet, aufgebaut und trainiert werden?

Franziska: Wir trainieren seit 16 Jahren auch Vollblüter, meistens ist der Anteil Vollblüter zu Araber 50:50. Das Training unterscheidet sich nicht rassespezifisch. Bei beiden Rassen ist es wichtig, auf die Persönlichkeit jedes einzelnen Pferdes einzugehen.

Als in der Schweiz die Araberrennen aufkamen, hatten einige Trainer Araberpferde auf ihrer Trainingsliste, wenn auch nicht viele. Inzwischen seid ihr die einzigen, die Araber für Rennen vorbereiten. Könnt ihr euch erklären, wieso das – von Anfang an – geringe Interesse an Araberrennpferden mit den Jahren noch mehr geschrumpft ist? An den Preisgeldern kann es kaum liegen, die sind in Araberrennen im Inland und im angrenzenden Ausland oft höher als in vergleichbaren Rennen für Englische Vollblüter. Liegt es an den wenigen Startmöglichkeiten?

Franziska und Urs: In der Vollblutaraberzucht existieren unterschiedliche Typen arabischer Pferde. Neben Freizeitpferden gibt es auch Schaupferde oder Sportpferde wie Renn- und Endurance-Pferde. In der Schweiz wurde in den letzten Jahrzehnten leider fast ausschliesslich auf Schönheit gezüchtet ohne Leistungsbezug im Renn- oder Endurancesport. Als in der Schweiz die ersten Araberrennen durchgeführt wurden, dachten einige Schweizer Züchter und Besitzer, sie könnten nun ihre Schaupferde, die im Schauring nicht genügen, automatisch als Rennpferde einsetzen. Diese Pferde waren natürlich nicht konkurrenzfähig mit Pferden, die seit Generationen auf der Rennbahn selektiert wurden. Das Hauptproblem liegt also darin, dass die Schweizer Züchter- und Besitzergemeinde fast nur über Freizeit- und Schaupferde verfügt und sich schwer tut, auf arabische Sportpferde umzusteigen.

Zudem ist es leider selten, dass Englisch Vollblutbesitzer sich auch arabische Rennpferde anschaffen. Bei dieser Gruppe scheint oft die feste Vorstellung zu herrschen, dass arabische Pferde Rennpferde zweiter Klasse seien vergleichbar mit Ponys, obschon der Ursprung des englischen Vollbluts zu einem hohen Prozentsatz beim arabischen Vollblut liegt. Am Preisgeld und Erfolg mit arabischen Pferden kann es nicht liegen, da beispielsweise in der aktuellen Pferdebesitzer Flachstatistik von Galopp Schweiz die Farben von Urs Aeschbacher mit den zwei Vollblutarabern Nil Kamla, Nil Ashal und der englischen Vollblüterin Miss Spirit auf dem zweiten Platz liegen.

Eine Basis für arabische Rennpferde schaffen

Generell gibt es aber auch in der Schweiz eine achtbare Anzahl Araberpferde die vor allem als Freizeitpferde, in den Sportdisziplinen Western und Endurance oder als Show- bzw. Freiheitsdressurpferde eingesetzt werden. Besteht innerhalb der «Arabergemeinde» keine Chance, mehr dieser Araberhalter auch für die Haltung von Araberrennpferden zu begeistern? Sind von eurer oder auch von anderer Seite entsprechende Aktivitäten im Gange?

Franziska und Urs: Was wir von unserer Seite tun, ist in der Schweiz eine Basis für arabische Rennpferde zu schaffen. Dies beginnt damit, dass wir in den letzten 15 Jahren alle Sponsoren für Vollblutaraberrennen in der Schweiz akquiriert und mit Galopp Schweiz und den Rennvereinen zusammen gebracht haben. Für 2017 konnten wir wieder Preisgelder in der Höhe von rund CHF 112‘000.–, mehrheitlich aus den Arabischen Emiraten, akquirieren.

Interessierte Rennpferdebesitzer haben bei uns auch die Möglichkeit, zu interessanten Konditionen, Vollblutaraber-Rennpferde aus unserer Zucht, unter der Stallfarbe Golden Arabians oder unter ihren eigenen Farben, laufen zu lassen, ohne die Pferde kaufen zu müssen.

Urs Aeschbacher mit Nil Nana, der mehrfachen Schweizer Meisterin und internationalen Championstute aus der fünften Generation der Nile Arabians-Zucht. – Foto: Joëlle Müller

Urs Aeschbacher mit Nil Nana, der mehrfachen Schweizer Meisterin und internationalen Championstute aus der fünften Generation der Nile Arabians-Zucht. – Foto: Joëlle Müller

Weiter haben wir im Mai dieses Jahres ein eintägiges Zuchtseminar für arabische Rennpferde veranstaltet mit Teilnehmenden aus der Schweiz, Deutschland und Frankreich. Von Zeit zu Zeit führen wir auch Open Days durch, um einer Öffentlichkeit Einblick in das Training von arabischen Pferden zu geben.

In der Schweizer Zuchtgenossenschaft für Arabische Pferde (SZAP) wurde aufgrund unserer Initiative eine «Leistungsprüfung Rennen» eingeführt und arabische Rennpferde mit besonderer Renn- und Zuchtleistung werden von der Genossenschaft als Elitepferde eingetragen.

Nicht zuletzt versuchen wir natürlich vor allem mit unseren züchterischen Aktivitäten in der Schweiz ein attraktives Angebot an arabischen Renn- und Endurance-Pferden zu schaffen.

Wo seht ihr die Zukunft eures Trainingscenters? Eher im Bereich Ausbildung von Freizeit- und Showaraberpferden oder eher im Bereich Rennpferde, vielleicht auch mit stärkerem Fokus auf englische Vollblüter?

Franziska und Urs: Unsere ganz grosse Leidenschaft liegt beim Training von Rennpferden. In den letzten Jahren war die Anzahl arabischer und englischer Vollblüter in unserem Trainingsstall ca. 50:50. Sehr gerne würden wir auch noch vermehrt englische Vollblüter trainieren. Wir sind überzeugt, dass wir beim Training von Vollblütern vieles, das wir von der Arbeit mit den sensiblen Arabern gelernt haben, auch erfolgsbringend beim Englischen Vollblut anwenden können.

Habt ihr zusammen oder vielleicht auch einzeln, grosse Ziele oder Träume? Vielleicht einen speziellen Champion-Titel in der Zucht oder ein grosses Araberrennen – zum Beispiel am Dubai-Weltcup-Meeting – zu gewinnen?

Franziska und Urs: Natürlich ist unser ganz grosser Traum, einmal ein Rennpferd aus unserer Zucht an einem der ganz grossen Araberrennen wie beispielsweise in Paris anlässlich des Prix de l‘Arc de Triomphe, oder am Dubai World Cup in Dubai laufen zu lassen. Letztes Jahr ging dieser Traum fast in Erfüllung, als wir aus Abu Dhabi für unseren Hengst Nil Ashal eine Einladung für die Teilnahme am «Sheikh Zayed Bin Sultan Al Nahyan Cup Crown Jewel-IPIC» Rennen erhielten. Diese Gruppe I-Prüfung ist mit einer Dotation von 1,2 Mio. Euro das höchst dotierte Araberrennen der Welt. Leider mussten wir dann die Teilnahme kurzfristig absagen, da Nil Ashal im November nach der ganzen Rennsaison und dem eingetretenen Fellwechsel nicht mehr hunderprozentig in Topform war.

Das heisst für uns, dass wir weiter träumen dürfen.

Herzlichen Dank euch beiden, für dieses ausführliche Interview. Vielleicht kann dieser Beitrag in einigen Lesern die Faszination für Araberrennpferde schüren oder sie zumindest davon überzeugen, dass es sich lohnt, sich mit den «Königen des Windes» näher zu befassen.

 

 

Schreiben Sie einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert