Raphael Lingg – Sympathisch bodenständig

Im Rahmen eines Interviews für die Pferdezeitschrift «Kavallo» war ich kürzlich bei Raphael Lingg im Landihof in Elgg zu Besuch. Natürlich habe ich dieses Treffen genutzt, um auch für Galoppszene einen Beitrag zu schreiben und den Jockey nach einigen Dingen zu fragen, die vielleicht noch nicht alle Galoppsportfreunde über ihn wissen.

Raphael Lingg mit seinem Lieblingspferd Filou, mit dem er bereits zwölf Flachrennen gewinnen konnte. – Foto: Barbara Würmli

Nachgefragt bei Raphael Lingg

Der 25jährige Rennreiter, der gebürtig aus Grossdietwil LU kommt, gehört seit Jahren in den Sparten Flach und Hindernis, zu den Top 5-Jockeys der Schweiz. Darauf angesprochen meint Raphael: «Nach der Lehre bei Carmen Bocskai in Avenches, war mein erstes Ziel, die 50 Siege zu erreichen, die es braucht um sich Jockey nennen zu dürfen. Das habe ich geschafft und seit ich Jockey bin, nehme ich mir einfach jede Saison vor, zu den fünf Besten in der Schweiz zu gehören und in einer oder beiden Sparten klappt das in den letzten Jahren auch immer.» Aber träumt nicht jeder Rennreiter davon, einmal den Durchbruch in einem grossen Rennsportland wie Frankreich oder England zu machen? «Nein» sagt Raphael dazu und fügt an: «Ich habe nach der Ausbildung schnell gemerkt, dass im Ausland keiner auf einen Schweizer wartet. Zwar war ich einmal für drei Monate bei Guy Cherel in Pau und durfte während dieser Zeit auch ein Rennen für ihn reiten. Er hat mir danach angeboten bei ihm zu bleiben und wollte mir garantieren, dass ich regelmässig Ritte bekäme, aber für mich war das keine Option. Vermutlich hätte ich tatsächlich Ritte bekommen, aber kaum in den grossen Rennen in Auteuil oder auf anderen Prestigerennbahnen. Ich wäre wohl ein so genannter Provinzreiter geworden, einer für die alltäglichen kleineren Rennen, was für mich nicht reizvoll war. Ich fühle mich in der Schweiz wohl, sie ist mein Zuhause, auch wenn die Möglichkeiten als Jockey halt eingeschränkt sind.»

Grosse Emotionen nach dem Sieg mit Papageno im Grossen Preis des Kantons Aargau in Aarau. – Foto: turffotos.ch

Vielseitiger Job bei Philipp Schärer

Verständlich, denn Raphael Lingg ist bereits seit sechs Jahren bei Trainer Philipp Schärer tätig und zu dessen rechter Hand geworden. Er beschreibt seinen Job auf dem Landihof in Elgg als sehr vielseitig, denn bei seinem Arbeitgeber wird jedes Pferd nach dessen individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten trainiert und gefördert. Jockey Lingg sagt dazu: «Ich kann bei Philipp meine Ideen einbringen und wir besprechen miteinander wie wir die einzelnen Pferde einschätzen und wie wir sie weiter fördern können. Zudem bin ich erster Stalljockey und bekomme so für Schweizer Verhältnisse viele Ritte und vor allem auch gute, chancenreiche Ritte.» Beste Voraussetzungen also, dass diese Zusammenarbeit noch lange bestehen bleibt. Doch auch für Raphael Lingg wird eine Zeit nach der Rennreiterkarriere kommen. Auf meine Frage, ob er sich später im Trainermetier sehe, antwortet er wie aus der Pistole geschossen: «Nein, absolut nicht.» Und er ergänzt: «Im Schweizer Galoppsport sind die Zukunftsaussichten als Trainer schlicht zu schlecht. So lange es mir Spass macht und ich erfolgreich bin, werde ich Rennreiter bleiben. Sollte ich irgendwann nur noch hinterher gurken und keinen Erfolg mehr haben, ist Schluss.» Er erzählt weiter, dass er sich später am ehesten als Hufschmied sehe. Sein Vater wie auch sein Grossvater sind Hufschmied und somit kennt er diesen Beruf von Kindsbeinen an und sieht darin eine gute Chance für die Zukunft.

Abschalten und die Welt bereisen

Obwohl Raphael Lingg vor allem als bodenständiger Schaffer rüberkommt, hat er ein Leben neben der Rennbahn und dem Rennstall. Er sagt zwar, dass er ausser ab und zu ein bisschen Squash, keine Hobbys pflege, aber er reise leidenschaftlich gerne und er erzählt: «Jeden Winter nehme ich mir für zwei Monate eine Auszeit und reise an die Wärme. In den letzten Jahren war ich zweimal in Kalifornien, einmal auf Hawaii und in Australien und dabei besuche ich manchmal auch Sprachkurse. In dieser Zeit schalte ich total vom Alltag in der Schweiz ab, lüfte den Kopf durch und tanke Energie für die neue Saison. Nächsten Winter werde ich wieder nach Australien reisen und sechs Wochen eine Englisch-Sprachschule besuchen.» Raphael sagt aber auch, dass es nicht so sei, dass er während diesen Auszeiten überhaupt nichts von Pferden und dem Rennsport hören wolle. Er gehe auf Reisen auch ab und zu auf die Rennbahnen der jeweiligen Länder, aber das sei dann eben reines Vergnügen und habe nichts mit der Arbeit in der Schweiz zu tun.

Raphael hat definitiv einen weiten Horizont und lässt auch Emotionen zu. Auf die Frage, ob Pferde für ihn nur Nummern seien oder ob er zu einigen auch eine spezielle Beziehung habe, antwortet er: «Da ich seit sechs Jahren im gleichen Stall bin und entsprechend auch lange Zeit mit den gleichen Pferden arbeite, habe ich auch meine Lieblingspferde. Filou ist für mich ein ganz spezieller, mit ihm habe ich schon zwölf Flachrennen gewonnen und auch zu Egisto habe ich eine starke Verbindung. Mit ihm konnte ich bisher achtmal gewinnen.» Bleibt also zu hoffen, dass die beiden Erfolgspferde noch lange aktiv bleiben und Raphael Lingg sowohl auf der Flachen wie auch über die Sprünge noch viele weitere Siege bescheren.

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