Galopprennsport-Mekka England: Anna Aebi erzählt

Die junge Schweizer Nachwuchsrennreiterin Anna Aebi hat die letzten drei Monate im Galopprennsport-Mekka England verbracht. Zwei Monate davon war sie als Arbeitsreiterin und Groom bei Trainer Karl Burke auf dessen Anlage «Spigot Lodge» in Middleham in der Grafschaft North Yorkshire tätig. Nicht viele junge Schweizer Rennreiterinnen und Rennreiter bekommen eine solche Chance und so hat Anna die ihre voll genutzt um viel zu lernen und viel Erfahrung zu sammeln. Ich habe Anna gebeten, uns an ihren Erlebnissen teilhaben zu lassen.

Nachgefragt bei Anna Aebi

Liebe Anna, herzlichen Dank für deine Bereitschaft, den Lesern von galoppszene.ch und mir, von deiner Zeit in England zu berichten. Erzähl uns doch in einigen Sätzen, wie es zu diesem Aufenthalt und zur Chance bei Karl Burke zu arbeiten, gekommen ist.

Anna Aebi: Ich hatte mich entschieden, nach dem Schweizer Saisonende für drei Monate ins Ausland zu gehen und dies mit dem Rennsport zu verbinden. Bereits 2013 habe ich für einige Wochen bei Gay Kelleway in Newmarket gearbeitet und da ich England quasi als meine zweite Heimat bezeichne, wollte ich wieder auf die Insel, allerdings nicht wieder nach Newmarket. Ich hatte vom Trainingszentrum Middleham gehört und bin auf die Website von Karl Burke gestossen, die einen sympathischen Eindruck gemacht hat. Also habe ich ihm kurzerhand eine E-Mail geschrieben und wenig später die positive Antwort erhalten. Ein paar Wochen später sass ich im Flieger. So einfach war’s.

Ein Lot von Trainer Karl Burke beim Eingang zu dessen Anwesen «Spigot Lodge». – Fotos: Kelly Voy

Ein Lot von Trainer Karl Burke beim Eingang zu dessen Anwesen «Spigot Lodge». – Fotos: Kelly Voy

Wie dürfen wir uns die Anlage und die Trainingsbedingungen bei Karl Burke vorstellen und wie viele Pferde werden auf «Spigot Lodge» trainiert?

Die Trainingsanlagen in Middleham umfassen eine Allwetterpiste auf dem High Moor, die etwa 1,5 Meilen lang ist und zwei etwas kürzere Tracks auf dem Low Moor, zudem freie Grasflächen en masse, auf denen ebenfalls trainiert werden kann. In Middleham und Umgebung sind etwa fünfzehn Flach- und Hindernistrainer angesiedelt, einige davon verfügen aber über eigene Trainingsmöglichkeiten. Das Trainingsgebiet liegt in den Yorkshire Dales, die Aussicht beim Reiten ist ein Traum! Karl Burkes Anwesen «Spigot Lodge» liegt ideal zwischen High- und Low Moor. Auf Spigot Lodge werden schon seit mehr als 150 Jahren Rennpferde trainiert, gerade in den letzten Jahren wurde aber in neue Infrastruktur investiert und so hat es auf der Anlage nebst neuen Stallungen auch einen grossen Trabring, Round Pens und vier Führmaschinen. In der Hochsaison trainiert Karl etwa 130 Pferde. Als ich da war, waren es etwas mehr als Hundert, da einige Pferde zur Pause auf der Weide waren.

Kein Vergleich mit der Schweiz

Das sind definitiv andere Dimensionen als hier in der Schweiz. Wie sah denn dein Arbeitstag vom Ablauf her aus und wie viele Lots pro Tag durftest du reiten?

Arbeitsbeginn war gemütlich um 7 Uhr (Anmerkung: in der Schweiz ist in Rennställen Arbeitsbeginn um 5.30 Uhr gängig), die Pferde waren zuvor bereits von den Head Lads (eine Art Stallmeister) gefüttert und kontrolliert worden. Nachdem jede und jeder von uns ein Pferd an die Führmaschine gebracht hatte, wurde das erste Lot gesattelt, das nur aus älteren Pferden («älter» heisst in England zweijährig und älter) bestand. Ab dem zweiten Lot wurden dann die Jährlinge sowie der Rest der älteren Pferde geritten. Die ersten drei Lots bestanden aus fünfzehn bis zwanzig Pferden, im vierten Lot wurden dann noch die verbleibenden vier bis sechs Jährlinge geritten, die noch nicht ganz so weit waren wie die anderen. Ich war oft in der glücklichen Lage, alle vier Lots reiten zu dürfen, was mich morgens somit meistens von jeglichen Stallarbeiten befreit hat. Abendstall war von 16 bis 18 Uhr, jede zweite Woche hatten wir Mittwoch- und Samstagabend sowie den Sonntag frei.

Unterscheidet sich die Art des Trainings stark von den Trainingseinheiten in der Schweiz oder ist die tägliche Arbeit mit den Pferden vergleichbar mit den hiesigen Gewohnheiten?

Anna Aebi mit einem Jährling beim Training auf den weitläufigen Anlagen in Middleham.

Anna Aebi mit einem Jährling beim Training auf den weitläufigen Anlagen in Middleham.

Die Galopps verlaufen hügelaufwärts, was die Muskulatur und die Gelenke der Pferde anders beansprucht als das Training auf flachen Bahnen, wie es die Pferde in Avenches oder Dielsdorf kennen. Getrabt wird auf Naturwegen und Asphaltstrassen. Grundsätzlich kann man sicherlich sagen, dass den Pferden einiges abverlangt wird, nach meiner Einschätzung war es bei Burke aber im vertretbaren Rahmen. Das Training der Jährlinge, von denen ich pro Tag zwei bis drei geritten habe, war sehr interessant und lehrreich. Die Jährlinge sind verglichen mit ihren Altersgenossen in der Schweiz schon deutlich weiter, da sie in fast jedem Fall zweijährig auf die Bahn kommen. Zweimal pro Woche haben wir sie Kopf-Kopf gecantert und wöchentlich sind wir mit ihnen im Schritt durch die Startmaschine geritten. Ich habe viel Positives aus der Arbeit mit den jungen Pferden mitnehmen können, aber es gibt auch problematisches. Ich möchte den Jährlingen als Reiterin ja etwas beibringen und sie zu angenehmen Partnern ausbilden, aber in einem Lot mit fünfzehn Jährlingen muss man ständig Rücksicht auf die anderen nehmen und schauen, dass man nicht das ganze Lot durcheinander bringt. Für das individuelle Eingehen auf Pferde, ist wenig Platz. Man spürt halt die Industrie, die in einem Rennsportland wie England hinter dem Ganzen steckt, und man sieht auch, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Ich habe mir schon oft gewünscht, dass der Schweizer Rennsport bei der Bevölkerung auf grösseres Verständnis und Interesse stossen würde und gewisse Dinge hierzulande, verglichen mit Rennsportländern wie Frankreich oder England, «professioneller» ablaufen würden. Und mit solchen Gedanken bin ich sicher nicht alleine. Aber ich habe nun auch gesehen, was es – gerade für die Pferde – bedeutet, wenn der Rennsport eine solche Grösse und Beliebtheit hat, wie es in England der Fall ist. Ich bin mit meinen Wünschen nach mehr Professionalität in der Schweiz etwas vorsichtiger geworden, auch wenn ich Fortschritt im Sinne des Sportes natürlich nach wie vor begrüsse.

Und wie war die Zusammenarbeit mit den englischen Kolleginnen und Kollegen? Hast du auch mit ihnen zusammen auf der Anlage gewohnt und gelebt?

Das Team war super. Wir hatten nebst den Engländern auch viele Iren und Schotten und der grösste Teil war in meinem Alter. Es war immer etwas los und wir hatten immer etwas zu lachen. Ein so grosses und junges Team unter Kontrolle zu halten, ist natürlich nicht immer einfach, aber dank guter Organisation hat es meistens sehr gut geklappt. Es gibt Wohnungen auf dem Trainingsgelände, ich habe aber mit einem Apprentice Jockey und einer Angestellten im Nachbarort gewohnt.

Zukunft in England oder in der Schweiz?

Bestand die Möglichkeit, dass du längerfristig bei Karl Burke oder einem anderem Trainer hättest arbeiten können und auch Ritte bekommen hättest oder stehen die Chancen für eine relativ unerfahrene Schweizerin schlecht, als Rennreiterin in England Fuss zu fassen?

Ich habe ein Jobangebot erhalten und hätte auf Spigot Lodge bleiben können. Ritte waren dabei auch ein Thema. Allerdings muss man bei solchen Versprechen realistisch bleiben. Selbst wenn ich Ritte erhalten hätte, so hätte ich schon am eigenen Stall mit vier männlichen Apprentice Jockeys eine enorme Konkurrenz gehabt. Es gibt in England schon Frauen, die sehr regelmässig in den Sattel steigen, aber gesamthaft gesehen und gerade in Bezug auf die grösseren Rennen ist der englische Rennsport immer noch sehr von Männern dominiert. Die Chancen stehen unterm Strich doch eher schlecht und dafür wollte ich meine Pläne und mein Leben hier in der Schweiz nicht über den Haufen werfen. Auch wenn ich es definitiv nicht ausschliesse, in ein paar Jahren nach England zu ziehen und ich die Einladung, nach Spigot Lodge zurückzukehren, für meine nächsten Ferien im Hinterkopf behalte.

Du hast zwei Monate bei Burke gearbeitet, warst aber drei Monate auf der grünen Insel. Bist du die restliche Zeit gereist oder hast du noch in andere Betriebe hinein geschnuppert?

Ich habe noch einen Monat Ferien gemacht und habe Nordengland und Schottland bereist. Das war auch so geplant, und ich habe die Zeit ohne Pferde auch sehr genossen und dazu genutzt, die Oberschenkelzerrung, die ich mir zu Beginn meiner Zeit bei Burke zugezogen hatte, vollständig auszukurieren.

Nun bist du zurück in der Schweiz. Wie sehen deine weiteren Pläne aus? Wirst du voll auf die Karte Rennreiterin setzen oder hast du beruflich anderes geplant?

In zwei Wochen beginnt mein Studium der Sozialen Arbeit an der Fachhochschule Bern. Das Rennreiten soll ein schönes Hobby bleiben – ich wusste eigentlich schon immer, dass ich beruflich eher bei den Menschen als bei den Pferden landen werde. Vielleicht lässt sich die Sozialarbeit ja auch irgendwie mit dem Rennsport verknüpfen, ich sehe da schon gewisses Potenzial ;). Solange ich nebst Ausbildung und Beruf noch genügend Zeit für den Sport finde und weiterhin so motiviert bin wie bis anhin, werde ich hoffentlich als Amateurrennreiterin aktiv bleiben und auch Ritte bekommen. Erstmal muss ich jetzt die in England angefressenen Kilos (und nein, das Essen war nicht lecker, aber ich habe trotzdem zu viel gegessen) wieder loswerden und fit werden für die Saison 2017!

Du hast wohl nicht zuviel gegessen, das Essen in England wird einfach ziemlich fettig und ungesund zubereitet. So habe zumindest ich es in Erinnerung. Jedenfalls lieben Dank, Anna, dass du deine Erlebnisse mit uns geteilt hast. Ich und die Leser von galoppszene.ch wünschen dir für die Zukunft viel Erfolg bei allem was du anpackst.

Anna Aebi: Herzlichen Dank!

 

2 Kommentare

  1. Jenny03

    Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag und die Offenheit und Ehrlichkeit von Anna Aebi!

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    1. Barbara Würmli (Beitrag Autor)

      Was das Schreiben des Beitrages angeht: gern geschehen. Und ja, die Zusammenarbeit mit jungen ambitionierten Galoppsportmenschen wie Anna, ist toll.

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