Vermutlich wurde Nadja Kessler mit einem ausgeprägten Pferdegen geboren, denn sie stammt aus einer eingefleischten Pferde- und Rennsport-Familie. Ihr Vater Markus ist während 13 Jahren Rennen geritten und trainiert die eigenen Pferde seit 25 Jahren auch selber. Mutter Ursi stammt aus dem Trabrennsport, vier Jahre ist sie auch selber Rennen gefahren. Somit blieb es den beiden Schwestern Jessica und Nadja frei, für welche Sparte sie sich entscheiden möchten. Die ältere Schwester Jessica ist selber Ponytrabrennen gefahren und auch einige Ponygalopprennen geritten. Nun ist sie jeweils als Pferdeführerin und Trainingsreiterin im Einsatz und betreut die Webseite von Ponyrennen Schweiz.
Nadja ist also mit Ponys, Pferden und dem Pferderennsport aufgewachsen. Sie ist als Ponytrabfahrerin in den Sport gestartet und reitet nun mit fast 20 Jahren aktiv Galopprennen bei den «Grossen». Allerdings ist sie Amateur-Rennreiterin und muss ihre Arbeit als Kauffrau mit dem Rennsport unter einen Hut bringen. Ich habe bei Nadja nachgefragt, wie sich ihre Karriere vom Kindesalter bis heute entwickelt hat und wie sie diese bisherige Laufbahn erlebt hat.
Nachgefragt bei Nadja Kessler
Liebe Nadja, herzlichen Dank, dass du bereit bist, ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern wie du mit und durch deine Familie zum aktiven Galopprennsport gekommen bist. Du wurdest in eine Pferde- und Rennsportfamilie hineingeboren. Kannst du uns in einigen Sätzen erzählen, wie du das in der Kindheit erlebt hast? Waren der Umgang mit Ponys und Pferden einfach selbstverständlich oder hattest du vielleicht zuerst gar kein Interesse an den Tieren oder vielleicht Angst zu reiten?
Nadja Kessler: Seit meiner Kindheit haben meine Eltern aktive Rennpferde und auch Ponys. Es war immer klar, dass für dieses Hobby die ganze Familie mit Leidenschaft dabei sein muss, wenn es funktionieren soll. Es fühlte sich immer richtig an und da gab es auch nie Diskussionen. Angst zu reiten hatte ich nie, schliesslich sass ich schon auf einem Rennpferd – dem unvergessenen Bogus Trumper – als ich noch nicht mal recht laufen konnte. Als kleines Mädchen haben mich aber eher die Pferde und weniger unsere Ponys interessiert. Geändert hat sich dies im Jahre 2005 als die ersten Ponytrabrennen durchgeführt wurden. Endlich hatten unsere beiden Ponys eine Aufgabe. Angefangen habe ich mit acht Jahren in den Ponytrabrennen. Mit Milreaf habe ich mein allererstes Rennen bestritten und danach zehn Jahre lang jedes Ponytrabrennen, das stattgefunden hat. Mit elf Jahren habe ich bei den Ponygaloppern angefangen und war auch dort immer am Start, bis ich «zu alt» war.
Hast du noch Erinnerungen an dein erstes Pony-Trab- oder Pony-Galopprennen? Vielleicht eine Anekdote aus deinen Anfängen?
Mein allererstes Ponygalopprennen war ziemlich lustig. Basil hiess damals mein Kompagnon. Dieser hatte keine Lust auf Trabrennen, deswegen haben wir ihn zum Galopprennpony «umfunktioniert». Das erste Rennen bestritten wir 2008 in Avenches. Alle Nervosität und taktischen Besprechungen haben nichts gebracht, denn wir kamen tatsächlich im Trab ins Ziel. Nach und nach verbesserten wir uns und wurden in den nachfolgenden Jahren ein Garant für Spitzenplätze – dann natürlich im Galopp.
Konntest du als junges Mädchen selber entscheiden, ob du nach der Schule noch reiten oder im Stall mithelfen wolltest oder gilt in deiner Familie eher, wer sich für den Sport entscheidet, macht es auch richtig und hat seine täglichen Verpflichtungen rund um die Pferde und darf sich nicht drücken?
Ja ganz genau so! Grundsätzlich konnte ich schon entscheiden ob ich Rennen bestreiten will oder nicht. Aber als ich mich dafür entschied, gehörte nicht nur das tägliche Training sondern auch die Pflege von Pferden und Stall dazu. Da gab es keine Diskussionen. Wie bereits oben erwähnt, betreiben wir dieses Hobby als ganze Familie und jede/r gibt, was er bzw. sie kann.
Ponyzeit bleibt unvergesslich
Wie hast du deine Ponyzeit in Erinnerung? So wie ich es mitbekommen habe, wart ihr Ponyjockeys während deiner Ponygalopper-Zeit eine verschworene Einheit, die auch neben den Rennen einiges zusammen unternommen und vielleicht auch angestellt hat. Erzähl mal!
Das war eine wahnsinnig schöne Zeit. Nach den Rennen haben wir uns immer alle getroffen, zusammen gegessen und Ideen für die nächste Championsnight (Abschlussabend der Ponykids) gesammelt. Wir haben die sogenannten «Crazy-Girls» gegründet und haben uns zu den Zuständigen für den Unterhaltungsteil an diesem Event erklärt: Theater, Tänze, Schnitzelbänke usw. haben wir einstudiert. Daraus ist eine enge Freundschaft entstanden und die Ponyrennen haben so natürlich doppelt so viel Spass gemacht. Eine verschworene Einheit sind wir immer noch, aber halt mehr neben den Rennen, weil leider (noch) nicht alle den Sprung zu den «Grossen» gemacht haben.
Als du älter geworden bist, die Schule anspruchsvoller wurde und vielleicht auch die Jungs interessanter, gab es da auch mal Zeiten, wo du keine Lust mehr hattest, viele Stunden im Stall und im Sattel zu verbringen? Und wenn ja, was hat dich schlussendlich motiviert, doch immer weiter zu machen?
Natürlich gab es während der Lehre öfters Momente in denen ich echt viel um die Ohren hatte. Zum Beispiel hatte ich Abschlussprüfungen, die Autoprüfung und das Trainingslager für die Amateurrennreiterlizenz ungefähr zur selben Zeit. Zu diesem Zeitpunkt waren die Pferde für mich aber eher ein Segen als eine Belastung. Zwar wurde es immer etwas später bis ich mit Lernen beginnen konnte, aber dafür hatte ich einen freien Kopf und konnte mich sehr gut konzentrieren.
Beim Thema Jungs war immer klar: Entweder ist das Verständnis für meine Leidenschaft Rennpferde vorhanden oder dann passt es halt einfach nicht. Pferde standen bei mir immer an erster Stelle und das wird auch immer so bleiben.
Körpergrösse machte Rennkarriere beinahe zunichte
War für dich immer klar, dass du nach den Ponyrennen die Amateur-Lizenz machen und im grossen Sport Fuss fassen möchtest?
Klar war das nicht, nein. Es war immer mein Wunsch Rennen zu reiten, aber nach den Ponyrennen hatte ich das Gefühl, dass ich einfach zu gross (172cm) geworden bin um Rennen zu reiten. Da habe ich ein Jahr nur im Training geritten und war an den Rennen als Pferdeführerin im Einsatz. In dieser Zeit wurde mir klar, dass mein Wille Rennen zu reiten zu gross ist, um wegen der Körpergrösse die Rennstiefel an den Nagel zu hängen. Also begann ich bei Hansjörg und Sabine Speck am Wochenende im Training zu reiten und durfte in meinen Ferien eine ganze Woche bei Ihnen verbringen. Ich habe in dieser Zeit unglaublich viel gelernt.
Reitest du aktuell nur eure eigenen Pferde im Training oder bist du auch noch als Arbeitsreiterin bei einem anderen Trainer engagiert?
Beides. Ich trainiere zu Hause täglich unsere eigenen Pferde und ein- bis zweimal pro Woche darf ich bei Andreas Schärer im Training reiten. Dies ist für mich enorm wichtig und ich bin froh, kann ich dies mit meiner Arbeitsstelle so vereinbaren. Zu Hause haben wir natürlich niemals die gleichen Möglichkeiten um unsere Rennpferde zu trainieren, wie auf der Rennbahn in Zürich. Unsere «Trainingsbahn» ist halt nur eine Rundbahn von 300 Meter. Sonntags dürfen wir jeweils mit dem Lot von Hansjörg und Sabine Speck in Reinach mittrainieren. Dies ist unabdingbar und wir sind Ihnen sehr dankbar dafür.
Da du eure Familienpferde zur Verfügung hast, kommst du zwar regelmässig zu Ritten, steigst aber doch relativ wenig in den Rennsattel. Hast du Ambitionen mehr Rennen zu reiten und wenn ja, wie schwierig ist es, zu Ritten von anderen Trainern und Besitzern zu kommen?
Ich habe sehr grosses Glück darf ich regelmässig unsere beiden Pferde Power Primus und Urquiro pilotieren, denn es ist wirklich unglaublich schwierig einen Ritt bei einem anderen Trainer oder Besitzer zu erhalten. Ich kann es ja auch verstehen, als frischer Amateur ist man noch am lernen und der ein oder andere Fehler ist vorprogrammiert. Zudem stellt sich halt für die Besitzer die Frage, warum man einen Amateur verpflichten soll, wenn man die Möglichkeit hat, einen Profi mit sehr viel Erfahrung auf sein Pferd zu setzen. Einen »fremden» Ritt hatte ich aber schon. Mein drittes Rennen durfte ich mit Simple Affaire in den Farben vom Ehepaar Kräuliger bestreiten. Ihn durfte ich immer im Training bei Andreas Schärer reiten und er war mein absoluter Liebling dort. Er steht mittlerweile übrigens auch bei uns zu Hause. Am 25.09. in Dielsdorf habe ich mein zehntes Rennen bestritten und wurde mit meinem «Primi» supergute Vierte. Ich gebe mir grosse Mühe, bei jedem Rennen zu lernen und Fortschritte zu zeigen. Da gehört auch die Analyse des Rennens dazu und ich bin sehr froh, Tipps von meinem Vater und vor allem die Unterstützung der ganzen Familie zu erhalten.
Hast du betreffend deiner Jockeykarriere ein Wunschziel oder hast du für dein weiteres Leben ganz andere Träume?
Mein Wunschziel ist es, so lange wie möglich aktiv und mit voller Leidenschaft im Rennsattel unterwegs zu sein. Ich werde weiterhin hart an mir arbeiten, um meine reiterlichen Fähigkeiten zu verbessern und hoffe von ganzem Herzen, dass dies auch mit dem ein oder anderen fremden Ritt belohnt wird. In weiter Zukunft steht auch die Besitzertrainer-Lizenz auf dem Plan.
Herzlichen Dank, liebe Nadja, dass du uns so viel über deine bisherige Laufbahn im Galopprennsport erzählt hast. Ich und die Leser von Galoppszene wünschen dir viel Glück und Erfolg bei allem was du in Zukunft anpackst.