Die Sportart Skikjöring wurde von einigen abenteuerlustigen Wintersportlern 1923 in St. Moritz erfunden. Ursprünglich wurden die Skijöring-Rennen jedoch auf der Langstrecke von St. Moritz nach Champfèr und zurück gelaufen. Gestartet wurde einzeln und der Sieger wurde mittels Zeitnahme erkoren. Heute werden die Skikjöringrennen über 2700 m auf der Bahn gelaufen, wie normale Galopprennen. Wobei diese Disziplin ganz bestimmt nie zur Normalität wird, sondern auch in Zukunft Exlusivität geniessen und eine spezielle Faszination auf das Publikum ausüben wird.
SkikjöringfahrerInnen müssen hervorragende SkisportlerInnen, aber auch kräftige AthletInnen sein. Und in gewisser Weise wohl auch wilde Hunde. Da erlaube ich mir, den Begriff «wilde Hunde», auch für die Damen anzuwenden. Das zarte Geschlecht muss wohl sogar noch ein Quäntchen mehr Mut und Härte haben, um sich zwischen die Hufe der Pferde und die stämmigen männlichen Konkurrenten zu begeben.
Einer dieser wilden Hunde ist der Burgdorfer Optiker Adrian von Gunten, der mit seiner Stute Mombasa ein absolutes Skikjöring-Dreamteam bildet. Die beiden durften 2012 und 2013 den Titel Königin und König des Engadins tragen und nehmen diesen am diesjährigen White Turf-Meeting erneut ins Visier.
Nachgefragt bei Adrian von Gunten
Adrian, herzlichen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Fangen wir – wie es sich gehört – ganz am Anfang an: Wann war dein erster Start als Skikjöring-Fahrer und wie bist du zu dieser aussergewöhnlichen Sportart gekommen?
Adrian von Gunten: Meinen ersten Skikjöring-Start durfte ich 1996 absolvieren. Zu dieser Zeit war ich hin und wieder mit Claudia Erni bei Françoise Gimmi zum Reiten. Dort entstand spontan die Idee Skikjöring zu fahren. Freunde von Françoise, die Familie Werren, stellte mir das erste Pferd – Tudor Age – zur Verfügung. 2001 konnte ich dann mein erstes Rennen, als grosser Aussenseiter – mit Muziano von Roland Böhi – gewinnen.
Hast du dich an den Leinen eines galoppierenden Pferdes und inmitten der paar Dutzend Hufe und fliegenden Schnee- und Eisschollen von Anfang an wohl gefühlt oder spielte am Anfang auch eine Portion Angst oder zumindest Unsicherheit mit?
Ehrlich gesagt, der Wohlfühlfaktor hielt sich bei meinen ersten Rennen doch sehr in Grenzen. Der eigentliche Spass kommt mit der Erfahrung und der Routine. Mein Skikjöring-Mitstreiter und Kumpel Lupo Wolf, hat mir am Anfang sehr geholfen.
Angst und zu viel Ehrgeiz sind schlechte Begleiter. Sind sie präsent, passieren Fehler. Man muss den Kopf bei der Sache haben und vorausschauen können. An erster Stelle steht für mich sowieso immer der Respekt gegenüber dem Pferd. Als Fahrer sollte man daher versuchen, nicht unnötig gefährliche Situationen zu provozieren. Aktuell sind wir eine tolle Truppe von FahrerInnen und ich finde, der Skikjöring-Sport ist – verglichen mit früher – fairer geworden.
Mombasa – ein Skikjöring-Ausnahmetalent
Seit 2012 ist deine Rennpartnerin die inzwischen neunjährige Stute Mombasa. Noch im letzten Winter war sie in deutschem Besitz und du hast sie quasi für fremde Interessen pilotiert. Relativ neu bist du nun auch der Besitzer der Stute, mit der du bereits zweimal König des Engadins geworden bist. Hast du schon länger damit geliebäugelt, Mombasa zu erwerben um sie bis zum Ende ihrer Karriere als Skikjöring-Partnerin behalten zu können oder hat sich der Kauf eher zufällig ergeben?
Der Kauf war nicht geplant. Er kam durch die freundschaftliche Beziehung zu den vorgängigen Besitzern, Rolf und Heide Harzheim vom Gestüt Bona und der Trainer-Familie Schiergen zustande. Meine Partnerin Nina Zosso, die seit Jahren als Führerin zum Team gehört, hat mich bei diesem Entscheid unterstützt. Solange Mombasa Lust hat und gesund bleibt, darf Sie also noch einige Skikjörings laufen.
Mombasa wird beim deutschen Championtrainer Peter Schiergen in Köln trainiert. Obwohl das nicht gerade um die Ecke ist, hast du ihr Training sicher im Blick. Wird ein Skikjöring-Pferd gleich auf das White Turf-Meeting vorbereitet wie die Starter der «normalen» Flachrennen auf Schnee oder gibt es da Unterschiede?
«Alte Bäume sollte man nicht verpflanzen», dies ist sicher ein Grund, wieso Mombasa in Köln bleibt. Zu Peter Schiergen und seinem Team habe ich vollstes Vertrauen und ich werde über den Trainingsstand immer auf dem Laufenden gehalten. Mich freut es sehr, dass einer der besten Trainer Europas, sich die Zeit für ein Skikjöring-Pferd nimmt. Peter hat Mombi selber an der Doppellonge «eingefahren» und praktiziert dies noch heute vor den Rennen. Ansonsten läuft das Training gleich ab wie bei den Pferden die «normale» Flachrennen bestreiten.
Mombasa_Training (Videolink)
Klickt unbedingt auf das Video, das Peter Schiergen beim Skijöring-Training mit Mombasa zeigt. Die beiden geben alles. 😉 😉
Reiterliches Können von Vorteil
Und wie sieht deine Vorbereitung aus? Ist es eher wichtig im Konditions- und Kraftbereich intensiver zu trainieren oder sind die Stunden auf den Skiern entscheidend?
Für mich ist beides wichtig. Im Rennen hat man keine Zeit sich noch aufs Skifahren zu konzentrieren. Das muss automatisch laufen. Und neben der Athletik und dem Skifahren sollte auch etwas reiterliches Können vorhanden sein um optimal auf das Pferd einzugehen und einzuwirken.
Am 8. Dezember 2015 ist Mombasa in einem Vorbereitungsrennen in Neuss unplaziert ins Ziel gekommen. Ich gehe davon aus, dass dieses Resultat kein «Beinbruch» war und es in erster Linie darum ging, sie in Schwung zu bringen. Verrätst du den Lesern von Galoppszene wie ihr Formstand aktuell – ein paar Tage vor dem ersten St. Moritzer-Renntag ist?
Der aktuelle Formstand stimmt. Da Mombasa nur noch auf Schnee Spass am Rennen hat, läuft sie den Sommer durch nicht mehr. Das Vorbereitungsrennen hat eindrücklich gezeigt, dass die volle Konzentration auf die Skikjörings, für Mombasa das Richtige ist. Und sie mag im Rennen weder Sand noch zuviel Schnee am Kopf. Für mich als Fahrer ist das immer wieder eine Herausforderung, da ich sie im Rennen ideal positionieren muss, damit sie vollen Einsatz zeigt und sich von fliegenden Schneeschollen nicht irritieren lässt.
Da Mombasa nun dir gehört, hast du dir sicher schon Gedanken darüber gemacht, was nach der Rennkarriere aus der Königin des Engadins wird. Wird sie bei dir den Lebensabend geniessen und Mama von vielen kleinen Schneetalenten werden? Du hast ja bereits Erfahrung als Züchter von Rennpferden. Mombasa ist eine Tochter vom zweimaligen Gruppe I-Sieger Black Sam Bellamy und ihre Mutter Murnau (von Rudimentary) war immerhin Listensiegerin.
Natürlich habe ich mir bereits Gedanken gemacht. Mombasa ist selbst eine Black-Type Stute (Listed-Dritte als Zweijährige) und ihre Halbschwester Mascara ist die Mutter von Max Dynamite, dem Zweitplazierten im letzten Melbourne-Cup. Ich denke die Voraussetzungen für eine schöne zweite Karriere von Mombi als Zuchtstute sind gegeben.
Ganz herzlichen Dank, Adrian, für dieses Interview. Ich und die Leser von Galoppszene drücken dir und Mombasa für die drei diesjährigen Skikjörings die Daumen und wünschen euch Hals und Bein.